Leben in der Bandelhütte

Textauszug (Viel Vergnügen!)

Josef Ernst von Bandel

„Erinnerungen aus meinem Leben“

Herausgegeben, mit Erläuterungen versehen und bis zum Tode des Meisters fortgeführt von Oberstudiendirektor i. R. Doktor Adolf Gregorius

Seite 379 (Wiederkehr nach Detmold zur Vollendung des Denkmals.)

Die letzte, schwierige Arbeit stand bevor: die Aufbringung des Standbildes auf den Unterbau nach dem Bandel alle vorbereitenden Arbeiten in Hannover abgeschlossen hatte, verlegte er mit seiner Enkelin Karoline, der Tochter seines Sohnes Arnulf, seine Wohnung wieder nach dem Teutoburger Walde; am 21. Juni 1871 traf er dort ein. In Detmold wohnte er im „Lippischen Hofe“, dessen Besitzer A. Müller, ihm in herzlicher Verehrung zugetan war und ihm das Leben so angenehm wie nur eben möglich zu gestalten suchte. Aber es hält ihn hier nicht lange; er zog hinauf auf die Grotenburg, wo er mit seiner Enkelin in dem Blockhause, das man ihm nach seinen Angaben errichtet hatte, eine mehr als bescheidene Unterkunft fand. Sein Freund Uhde, der ihn im August 1871 besuchte, hat eine anschauliche Schilderung seiner Behausung gegeben. Auf die Anzeige seines Besuches hatte ihm Bandel ein ulkiges Briefchen in bayerische Mundart geschrieben:

Am Hermannsdenkmal, den 7. Aug. 1871

Lieber, Verehrtester!

 Na oba, des is scheen, des is g’scheit daß Es kimme wollt,

um mi in meiner Zweisiedelei da obn afn Berg zu b’sucha;

kimmts nur bald megli! Wohnts Lippischer Hof, und kimmts bald afi z’mir, wenns a is; i bin immer daham.

Mei Carlin‘ lacht‘ hell auf, als’s g’hörts, daß kimme wollt.

Nu bhit Enk Gott!

Der Ihnen treu ergebene Alte vom Berge

J.E.v.B.

Als Uhde auf der Grotenburg angelangt war, rief er Bandels Namen. „Rasch erschien der Freund, begrüßte mich herzlich und ließ dann einen schrillen Pfiff ertönen, welcher lang gezogen widerhallte. ,Der gilt Karoline‘ sagte er dann; ,wir hausen hier nach Hinterwäldler Art.‘ Das frische Mädchen sprang herbei, und wir traten in das Blockhaus.

Es war äußerst flüchtig zusammengezimmert und mit Dachpappe gedeckt, die im Sonnenschein sehr übel roch. Eine Veranda, welcher eine betagte, grüne Holzbank – sie hatte noch die Tage der Entstehung des Unterbaus gesehen – zum besonderen Zierat gereichte, war fast der behaglichere Aufenthalt; der Innenraum ließ eigentlich alles zu wünschen. Er diente zum Empfangs-, Wohn-, Eß-, Schreib- und Schlafzimmer zugleich; unter dem einzigen Fenster stand der alte Gefährte des Meisters: sein Zeichentisch; der die Wanderung von Hannover mitgemacht und wie die darauf verstreuten Blätter und Briefschaften bewiesen, seinen Zweck schon wacker erfüllt hatte. An einer Ecke dieses Tisches war eine große Kaffeemühle festgeschraubt; Bandel schritt zu seinem Bort, welches Speisekammer, Milchstube und Weinkeller vorstellte, nahm Bohnen und schüttete sie in die Mühle; Indes er sie zermalmte, holte Karoline vom ‚Bandelsborn‘ [1] frisches Quellwasser, und auf einem Spiritus Flämmchen ward Kaffee gekocht. Alle andere Kost lieferte die Frau des Denkmalswächters, der etwa 500 Schritte entfernt in jenem Wärterhäuschen wohnte über dessen Errichtung der Meister einst so schwere Ärger gehabt; das Essen war reichlich, aber grob zubereitet, denn der Wächter, ein schlichter Tagelöhner, lebte nach der Weise eines solchen.

Die Möblierung des Blockhauses bestand aus drei hölzernen Schemeln; in ganz Detmold hatte niemand daran gedacht, dem Greise einen Lehnstuhl auf den Berg zu schicken. Auch der durch einen Vorhang abgeteilte Schlafraum wies keinerlei Bequemlichkeit; auf bretterner Unterlage befanden sich links die Bettstücke des Großvaters, rechts die der Enkelin; dazwischen stand die große Kiste, welche Kissen und Matratzen von Hannover hergeschafft. Seitwärts lagen Teile der Verankerung, Kupferstücke, eiserne Werkzeuge, Geräte aller Art, hing Kupferdraht, der zum Blitzableiter am Denkmal gebraucht werden sollte, usw. Dazwischen herum krochen oder surrten Hirschhornkäfer, Schmetterlinge, Spinnen etc. War Kuchen, Zucker, Brot oder sonst Essbares vorhanden und im ,Speiseschranke‘ untergebracht, so wimmelte es alsbald von Ameisen, höchst lästigen Gästen, welche gar nicht fernzuhalten waren. Im Felde hatte ich manches erbärmliche Lager unserer Krieger gesehen und mich oft selbst kümmerlich beholfen; gleichwohl konnte ich aus meinen Erinnerungen fast nichts der dürftigen Einrichtung an die Seite setzen, wie ich sie bei dem Künstler traf, der ein deutsches Nationaldenkmal zu vollenden im Begriff stand…. Als ich nächsten Tages wieder die Grotenburg aufsuchte, kam mir Bandel lachend entgegen. ,Wissen Sie auch, daß mir gestern abend der Fuchs das Nachtessen aufgezerrt hat?‘. Ich wußte es natürlich nicht und hörte jetzt, daß die Wärtersfrau das Essen, einen Salat mit Spiegeleiern, gerade gebracht hatte, während der Meister mich begleitete; sie nahm an, er werde gleich zurückkehren und setzte die Schüsseln auf die Bank vor dem Blockhause, da sie dieses verschlossen fand. Eher noch als Bandel, erschien aber Meister Reinecke und vertilgte die Eier; Ersatz war nicht mehr zu beschaffen, und in der ,Zweisiedelei‘ ließ man sich an einem Käsebrot genügen.“

In dieser mehr als einfachen Hütte hauste Bandel bis 1873. Im Oktober dieses Jahres zog seine Gattin mit auf die Grotenburg; da musste sich die Bandelhütte eine gewaltige Umwandlung gefallen lassen. „Sie würden sich wundern“, schreibt Bandel am 15.10.1973 an Uhde, „über die Veränderung meiner Hütte, die nun ein wahrer ,Palast i bitt ehne‘[2] geworden ist. Salon blaue Wände, weiße Vorhänge, Blumen vor den Fenstern, außen gewachsene und Geburtstagssträuße in grünen Gläsern (6. Okt., Mamas Geburtstag, der von Detmoldern mit Singständchen und Denkmalsbeleuchtung gefeiert wurde), warme Fußteppiche, ein schöner Kanonenofen, Musikflügel und staunen Sie – ich hab’s wohl Ihrem Zeitungsaufsatz zu verdanken – ein mir viel zu bequemer, mich fast ganz umfassender Armstuhl. Das Ding ist mir zu weichlich, liebe solche Kraftschwächer nicht; der Detmolder freundlicher Wille, mir‘s bequem zu machen, freut mich aber doch gar sehr. Der Schlafraum ist weiß tapeziert, und hinter ihm ist noch ein gleich großer, d.h. kleiner Raum angebaut. Die Vorhalle ist noch von der grünen Bank ausgefüllt. Wilder Wein ist am Giebel aufgewachsen. Mensch, du hast zu viel des Bequemen und – mir war der Bretterkasten im Walde lieber, poetischer; jetzt kommt mir das Ding wie die transportable Wohnung von Seiltänzern oder Waffelbäckern vor.“ –

[1] Das für die Bauarbeiten notwendige Wasser, anfänglich von der halben Höhe des Berges heraufgeholt werden müssen, bis Bandel an einer sumpfigen Stelle oberhalb des Steinbruchs eine Quelle auffand, die er mit Mühe und Sorgfalt zum Sprudeln brachte. Diese Quelle, „Bandelborn“ genannt – sie liegt unmittelbar unterhalb des jetzigen Gasthofes – lieferte nicht nur reichlich Wasser zum Bau, sondern auch ein klares und gutes Trinkwasser. Das überfließende Wasser wurde in zwei am Hange des Berges untereinander liegenden Teichen aufgefangen, die von Bandel Seen, genannt wurden. Am 15.5.1874 war es „sakrisch kalt. Die beiden sehen des Bandelborns hatten Eis“.

[2] Der Maler Crola hatte einstmals Bandels unscheinbare Hütte scherzhaft „Palazzo, i bitt ehne“ genannt. „I bitt ehne“ ist eine süddeutsche Entschuldigungsformel, die angewandt wird, um ein Ausdruck zu berichtigen. Crola wollte also humoristisch sagen, daß es bei Leibe keine Hütte, sondern ein Palast sei.